Grünes Herz und Industrie, geht das zusammen? Klar doch! Dass das geht, sagt mir meine persönliche Erfahrung. Ich wollte schon immer die Welt zu einem besseren Ort machen im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten. Als Kind der frühen 1980er Jahre hat mich natürlich die Umweltbewegung geprägt und die aufkommende Diskussion um Produktionsverfahren und Materialien. Geprägt von Anregungen aus dem Kinderfernsehen griff ich also konsequent als Grundschülerin zum grauen Recycling-Papier-Schreibheft und nicht zum glatten, weißen Karopapier. Der roten Faden setzte sich fort: Als Praktikantin in einem Industrieunternehmen habe ich im Jahr 1997 angeregt, den Geschäftsbericht doch auf Recyclingpapier zu drucken. Da wir hier nicht mehr beim Kinderfernsehen waren sondern im echten Leben, wurde ich leider nur gütig-milde belächelt.
Aber: Wenige Jahre später war das dann der ultimative Hype in großen Unternehmen und alle klopften sich auf die Schultern.
Mein Vorschlag im Jahr 2007, die Fahrzeugflotte von Audi A4 bis A8 (je nach Rang des damals rein männlichen Managers) auf Elektroautos umzustellen, wurde abermals milde belächelt – aber ich sehe es kommen, es wird bald Standard sein und den Nachhaltigkeitsbericht zieren. Das nur als kleine Anekdoten.
Was lernen wir daraus? Veränderungen beginnen häufig zunächst mit einer Nischendiskussion, mit einer Bewegung, die sich, wenn sich viele für diese Ideen begeistern können, bis in die Mitte der Gesellschaft durchsetzt. Und dort sitzt auch die Industrie. Sie ist in der Mitte der Gesellschaft, als Arbeitgeber, als Chancengeber, als Ideenschmiede und vor allem: als Umsetzer.
Ich kann Umwelt- und Klimaschutz – gesellschaftliche Entwicklung im allgemeinen – nicht ohne die Industrie denken, denn industrielle Branchen haben meiner Familie über viele Generationen hinweg Arbeit, Perspektive und Entfaltungsmöglichkeiten gegeben. Als kleines Beispiel führe ich hier mal meinen Urgroßvater Fritz Hennies auf, der sich gegen den Willen seines Vaters nicht in eine Goldschmiedelehre begab, sondern an die Bergschule. Er wurde Fahrsteiger auf Helene Amalie und konnte dank dieser Chance seinen eigenen Weg gehen, seine Entfaltung finden und sich auch ohne die Unterstützung seines Vaters beruflich entwickeln. Auch mein Großvater, mein Vater, mein Bruder und ich fanden Arbeit in der Industrie. Und nicht nur Arbeit, sondern die Möglichkeit, kreativ zu wirken, Dinge zu verändern, zu verbessern und voranzutreiben. Mein Vater hat übrigens mit der Entwicklung und Inbetriebnahme von Rauchgasentschwefelungsanlagen dazu beigetragen, dass der Himmel über dem Ruhrgebiet wieder blau wurde. Ein „grüner“ Pionier, der im Leben niemals grün wählen würde, aber grün gehandelt hat.
So habe ich eins gelernt: Die Industrie ist in großen Teilen ein wichtiger „Driver“ von nachhaltiger Entwicklung geworden. Die Zeiten, in denen „die Industrie“ (welche Branchen in welchen Größen da eigentlich gemeint sind, ist ja auch eine eher individuelle Deutung) beim Thema Nachhaltigkeit widerwillig hinterherhinkte und man eher den Eindruck hatte, sie tut alles, um Standards zu vermeiden, sind lange vorbei. Wenn es diese Zeiten je gab in dieser Absolutheit. Ich erinnere an das Beispiel der Rauchgasentschwefelungsanlagen. Das Bild ist also von jeher weit differenzierter als man allgemein wahrnimmt.
Um es ganz klar zu sagen: Die Industrie ist Teil der Lösung. Denn:
Die Industrie hat eine Hebelwirkung, die seinesgleichen sucht. Wenn Industrieunternehmen eine neue Richtung einschlagen, dann hat das gleich große Auswirkungen auf Wirtschaftsleben und Umwelt. Und viele machen schon vieles richtig. Gerade die deutschen Produktionsstätten arbeiten idR nach den neuesten Standards und stellen sich jeder Zertifizierung.
Die Industrie hat die nötige Innovationskraft, durch hervorragend ausgebildete und in großen Teilen begeisterte Entwicklerinnen und Entwickler, Ingenieurinnen und Ingenieure und eine Unternehmenskultur, die immer mehr Richtung Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht, die ihre Ideen und Impulse einbringen können. Die Know-How-Basis erweitert sich dadurch, der Ideen-Pool und auch die Identifizierung mit smarten Lösungen.
Die Industrie hat nicht nur die Möglichkeit, ihre Produktion, Logistikketten etc. nachhaltig zu gestalten, sondern auch umweltfreundliche Produkte zu entwickeln, zu produzieren und zu vermarkten.
Natürlich gibt es noch eine Menge zu tun, natürlich können wir uns noch verbessern, und natürlich ist „die Industrie“ eine sehr heterogene Community. Aber hier geht schon viel ab. Also, grünes Herz und „graue Schlote“, die schon lange nicht mehr grau sind – passt prima.