Tatsächlich ist in allen westlichen Industriestaaten der Anteil der Beschäftigten im Dienstleistungssektor in den vergangenen Jahrzehnten erheblich gestiegen. Getrieben von der Entwicklung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien und der Verbreitung des Internets sind einige ehemalige Industrieländer wie Großbritannien sogar so weit gegangen, sich fast vollständig von ihrer Industrie zu verabschieden. Die Produktion von Gütern wurde zu guten Stücken in andere Länder ausgelagert oder verkauft.
Der Glaube, die Zukunft bestünde nur in der Bereitstellung, Nutzung und Kapitalisierung von Wissen, ganz unabhängig von der Erstellung echter Güter meiner Meinung nach ein immer noch weitverbreiteter Irrtum. Denn der überwiegende Teil der dynamisch wachsenden sogenannten „Wissensdienstleister“, wie Softwarehäuser, Medien- und Beratungsunternehmen, Kommunikations- bzw. Online-Dienstleister und Agenturen sind buchstäblich von einer prosperierenden inländischen Industrie abhängig. Ihre Existenz basiert in großen Teilen auf eine fortschreitende Arbeitsteilung in der Industrie. Wurde früher das Marketing, die EDV oder die Wartung von Maschinen vornehmlich von den Industrieunternehmen eigenständig organisiert und durchgeführt, so werden diese Tätigkeiten heute vielfach von externen, spezialisierten Dienstleistern zugekauft. Diese Dienstleistungen sind mit dem Wertschöpfungsprozess der industriellen Güterproduktion eng verknüpft. Sie stehen nicht allein und ersetzen keine Industrieprodukte, sondern werden ergänzend zu Industrieprodukten entwickelt. Kurzum, sie wirken komplementär und nicht substituierend!
Für diese industrienahen Dienstleistungen gibt es aber keine Abgrenzung in der amtlichen Statistik. So beträgt der Anteil der Industrie am Bruttoinlandsprodukt in Europa mit 24% weniger als ein Drittel im Vergleich zu den 74% des Dienstleistungssektors. Schätzungen zu Folge steht die Industrie aber gemeinsam mit den industrienahen Dienstleistungen für sage und schreibe 45% aller Arbeitsplätze in Europa. Damit schafft jeder klassische Industriearbeitsplatz zwei Beschäftigungsverhältnisse im Dienstleistungssektor! Die Industrie steht somit für viel mehr Arbeitsplätze, Einkommen, Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten, als die Statistik uns auf den ersten Blick verrät.